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Dalal - Kopftuchmädchen Media (Teil 1/2)

Aktualisiert: 12. Juli 2021

Wie würdest du einem Kind erklären, was du machst?


Wir machen Videos mit muslimischen Frauen über muslimische Frauen zu den Themen, über die sie reden möchten. Auch übers Kopftuch, aber nicht nur. Wir wollen vor allem zeigen, dass sie sich auch für andere Sachen interessieren. Medien sind da ein großes Feld, aber auch Empowerment.


Wie bist du dazu gekommen beziehungsweise was hat dich motiviert, aktiv zu werden?


Ich habe letztens zu meiner Schwester gesagt: „Eigentlich entscheiden wir uns nicht Aktivistinnen* zu werden, wir können gar nicht anders.“ Ich habe das Gefühl, Gott hat jedem Menschen bestimmte Stärken gegeben, bestimmte Talente. Und Kopftuchmädchen war etwas, als hätte Gott gesagt „Guck mal, das kannst du doch machen. Das passt zu deinen Stärken und ist das, was benötigt wird.“ Ich habe das Gefühl, das hat so viel Segen. Auch weil die Community und die Leute sagen „Das ist so wichtig. Danke, dass du das machst.“ Auch Menschen, die nicht betroffen sind. Verbündete Allies, die auch sagen „voll gut, dass ihr das macht.“ Ich glaube, hätte ich nicht am Anfang so viel Feedback von Frauen aus ganz Deutschland bekommen, hätte ich es auch nicht durchgezogen.

Also so wirklich ist es keine Entscheidung. Es ist traurig, dass es so krass notwendig ist. Obwohl mich Leute auch gefragt haben „Hast du keine Angst, dass du hate kriegst?“ Ich sehe mich aber als Instrument, um das hier durchzuziehen und zu machen. Und ich habe auch das Gefühl, dass Allah da einen Schutz drum gemacht hat. Ich habe schon viel von anderen Leuten gehört, was sie sich anhören mussten. Also toi, toi, toi. Es ist ziemlich positiv geblieben. Und das ist auch wichtig. Wir sprechen nun mal über ein krasses Thema. Es geht zwar um Empowerment, aber letztendlich – warum müssen wir überhaupt empowern? Es dreht sich viel um antimuslimischen Rassismus, wir bekommen dahingehend auch viele traurige Geschichten zugesandt. Zum Beispiel stand in einer Nachricht, dass jemand ernsthaft keine Beförderung bekommen hat, weil sie ein Kopftuch trägt. Wie krank ist das bitte? Und trotzdem versuchen wir so eine Leichtigkeit reinzubringen, irgendwie einen Humor und oft auch genau unter dem Motto „Lass uns Träumen, lass uns groß Denken, lass uns mal die Gesellschaft aufmischen.“ Wir gestalten mit. Wir sind hier und es hat einen Grund, dass wir hier sind und solange wir hier sind, zeigen wir denen so richtig, was ein Kopftuchmädchen ist.


Wann hattest du dich dazu entschieden, Kopftuchmädchen zu gründen?


Von ein auf den anderen Moment am 31.05.2020. Und von da hat sich alles entwickelt. Das Feedback ist gekommen, dann habe ich mit den Powerfrauen – Posts angefangen. Ich kannte schon ein paar Frauen, die ich voll inspirierend fand. Da habe ich direkt angefragt und die haben auch schnell reagiert, dann habe ich gleich die Seite gestartet.

Als ich Fatima, sie ist eine sehr enge Freundin seit zehn Jahren, davon erzählt hatte, fand sie das voll gut und hat mich auch direkt unterstützt. Zusammen haben wir dann unser Team aufgebaut. Dann haben wir eine Nachricht von Esra Karakaya bekommen, sie hat das Talkformat Karakaya Talk, wo sie jungen BIPOCs eine Plattform gibt, über unterschiedlich Themen zu sprechen. Sie hat mich über LinkedIn gefunden und gesagt, wie gut sie die Idee findet und ich solle mich für ein Fellowship bewerben. Das ist so was wie ein Stipendium für Start-ups, aber ich dachte, wir haben ja nur eine Instagramseite. Sie hatte mich dann noch einmal drauf angesprochen und zu ihr in den Co-Working Space eingeladen, wo sie noch mal meinte „Los, mach das mal jetzt.“ Daraufhin habe ich es probiert und wir sind in die Vorrunde gekommen. Das war ziemlich viel Arbeit. Dann haben wir gepitched und so was hatten wir noch nie gemacht. Die anderen waren alle im Tech Bereich, wir waren eine der wenigen, die Content Creater sind und dann hieß es „Ihr habt das Fellowship bekommen.“ Und dann „musste“ ich ein Start-up gründen. Das ist verrückt, wirklich crazy. Jetzt sind wir seit April in dem Fellowship-Programm und bekommen Förderung und Coaching.


Machst du das gerade in Vollzeit?


Ich habe meinen alten Job gekündigt, da war ich auf 30h eingestellt, den habe ich aber sehr gerne gemacht.


Was hast du denn vorher gemacht?


Ich war in der Migrationsberatung. Das war echt cool. Da habe ich mir aber schon gedacht, dass das zu viele Stunden sind und ich das nicht schaffen werde. Dann hatte ich die Zusage für das Fellowship bekommen und bin zurück zu meinem alten Job gegangen – Familienhilfe. Hier kann ich auf 20 Stunden arbeiten und auch sehr flexibel.

Es ist einfach alles so unrealistisch. Wir gründen gerade eine Firma, eine UG, und dann bin ich Geschäftsführerin von einem Medien Start-up. Jetzt weiß ich aber auch, dass es krasser klingt als es ist. Also es ist schon cool, aber das können viele Leute machen. Ich glaube, wir haben manchmal ein viel zu krasses Bild von Gründen und Start-up im Kopf, aber das können viele machen, die meisten trauen sich nur nicht.


Ich finde es sehr beeindruckend, dass du dich selbst so zurücksteckst, um Kopftuchmädchen zu realisieren.


Danke. Ich glaube richtig krass daran. Es ist sowas wie eine Vision, ein richtiges Herzensprojekt. Ich will, dass es richtig was verändert.


Warum sieht du es als notwendig, Widerstand zu leisten?


Es gibt keinen Ort an dem sich muslimische Frauen irgendwie kollektiv gehört fühlen können. Es gibt verschiedene Akteurinnen* wie Kübra Gümüşay oder andere Künstlerinnen*, die als muslimische kopftuchtragende Frauen* in der Öffentlichkeit stehen und natürlich auch ein anderes Bild zeigen. Das empowered auch total. Aber es gibt keine Plattform, keinen Ort, an dem sich muslimische Frauen gegenseitig supporten, feiern und einfach annehmen. Ob mit Kopftuch, ohne Kopftuch, Turban, ist uns egal.

Wenn sich die Person als muslimisch identifiziert, eine Frau* ist und was Cooles macht, wo wir denken „Hey, das sollte gehört werden“, dann porträtieren wir sie auch gerne, wir gehen gerne ins Gespräch. Wir sind ein Ort, bei dem es nicht um mich als Gründerin von Kopftuchmädchen geht, sondern es geht darum, für so viele Stimmen wie möglich Gehör zu bekommen.

Unsere Relevanz wird deutlich, weil wir Nachrichten von Frauen aus ganz Deutschland erhalten haben. Im ersten Monat der Gründung habe ich mit so vielen Frauen Telefonate geführt, die alle meist eine Stunde gingen und die mir gesagt haben, wie wichtig das ist. Und da dachte ich mir „Oh, ok krass. Jetzt muss ich das auch verantwortungsvoll führen.“

Eigentlich ist es die Community, die mich in diese Rolle gebracht hat, nicht unbedingt nur die Idee.


Du hattest gerade den Fokus sehr auf [cis] Frauen gelegt, wie verhält es sich denn zum Beispiel mit Trans* - Personen bei Kopftuchmädchen?


Wenn sich die Person als weiblich und muslimisch identifiziert, dann würden wir auch mit ihr ins Gespräch kommen oder porträtieren.

Aber das Thema war auch noch nicht präsent. Ich weiß auch nicht, wie das in der muslimischen Community ist, wie viele Trans* Personen es gibt und ob es für sie wichtig ist, eine Plattform wie Kopftuchmädchen zu haben. Ich könnte mir vorstellen, dass sie eher in anderen Communities unterwegs sind, zum Beispiel LGBTQ+. Aber ich weiß nicht, ob Kopftuchmädchen für sie als safe space wichtig wäre.


Würdet ihr denn den Raum dafür geben oder wäre die Verantwortung zu groß?


Also uns ist es wichtig, dass dieser Raum immer den Fokus auf kopftuchtragenden Frauen behält. Wir möchten den Kampf für LGBTQ+ den Leuten überlassen, die sich in dem Feld spezialisiert haben und richtig gut auskennen.

Uns ist es total wichtig, dass wir diesen Space nicht weggeben, und auch, dass es nicht schleichend passiert. Denn ohne uns gibt es das nicht. Es gibt einfach im deutschsprachigen Raum nichts, wo muslimische Frauen richtig Support kriegen. Deswegen ist es uns auch wichtig, keine Interviews mit Männern zu führen. Wir sind da ganz strikt. Da kann man sicher sagen, das ist übertrieben, aber es ist uns einfach so wichtig! Denn es gibt so einen Space für Männer und ich sage nicht, dass das schlecht ist. Aber es fehlt an research for someone who is feminine. Denn es gibt so viele krasse Frauen, die man nicht kennt, weil immer nur männliche Referenten* eingeladen werden und das ist voll schade. Und das, obwohl es so wichtig ist, dass ihre Stimme Gehör bekommt.

So etwas, wie wir gerade machen, findest du so nicht. Deswegen haben wir auch so viel Resonanz bekommen. Und es ist so krass notwendig, dass es so was gibt, vor allem angesichts dieser ganzen Gesetze, die erlassen werden und diesem krassen antimuslimischen Rassismus. Und deswegen sind wir glücklich über jede Person, die uns unterstützt und bei uns sind alle willkommen, aber wir wollen thematisch wirklich den Fokus beibehalten.


Es ist ja wieder das Kopftuchverbot in aller Munde – wie stehst du dazu?


Ich bin total für ein Empowerment für Frauen*, das sehe ich als Schlüssel für die Zukunft. Also bei allen Frauen*, nicht nur bei marginalisierten. Aber natürlich liegt durch Rassismus und anderes ein besonderer Fokus auf den marginalisierten Gruppen.

Und da ist ein Schlüssel Geld. Wenn wir Geld haben, haben wir auch irgendwo ein bisschen Macht. Eine Frau* könnte sich ihr eigenes Haus, ihr eigenen Auto, ihre eigene Wohnung – ihr eigenes Ding leisten. Sie nehmen damit [mit dem Gesetz] Frauen* die Freiheit, ihr eigenes Geld zu verdienen und zu emanzipieren. Beziehungsweise, sie sind emanzipiert! Aber sie verhindern es, dass sie mehr ihre Träume leben können. Und das finde ich voll schlimm – wenn Rassismus so weit geht, dass sogar Träume sterben und ich finde, es darf nicht so krass sein, dass man aufhört zu träumen.

Möchtet ihr in Zukunft politisch aktiver werden?


Fatima, die mit im Team ist seit Tag eins, ist Politikwissenschaftlerin, aber wir haben nicht als Ziel, politisch aktiv zu werden. Es gibt das Aktionsbündnis muslimischer Frauen (AmF), die werden als Lobbyorganisation für muslimische Frauen anerkannt. Und die schreiben auch Fachtexte für geplante Gesetze. Diese Texte wurden auch schon in Entscheidungen mit einbezogen. Zwar hatten sie nicht so viel Gewicht gehabt, aber trotzdem ist die Relevanz da. Die gibts auch schon seit zehn Jahren, also wir haben das Rad nicht neu erfunden. Aber sie sind eher eine Anlaufstelle für Frauen, die von Rassismus am Arbeitsplatz betroffen sind. Daraus sind sie auch entstanden, als es anfing mit dem Kopftuchverbot für Lehrerinnen*. Wir wollen sie gerne auch unterstützen und auch auf ihre Arbeit aufmerksam machen, weil die machen ihre Arbeit so toll und sind so krass in dem Thema drin. Aber unser Fokus ist – und da kommt meine Sozialarbeiterader raus – die Community.

Man kann jetzt auch Mitglied werden bei Kopftuchmädchen, da gibt es verschiedene Pakete. Und in diesen Paketen ist auch dieser Aspekt von Community enthalten. – Viele Frauen haben gesagt, „Ich brauche mehr Vernetzung“ „Ich will mich connecten“, deshalb planen wir auch social Events. Außerdem produzieren wir jetzt auch regelmäßig auf YouTube Videos.

Woran denkst du, liegt es, dass Politiker*innen in Deutschland immer über eure Köpfe hinweg entscheiden? Es scheint so, als ob immer wieder Entscheidungen getroffen werden, ohne mit den Betroffenen vorher in den Diskurs zugehen.


Ja, besonders bei diesem neuen Gesetz [Kopftuchverbot am Arbeitsplatz ist zulässig].

Das AmF hat das Gesetz im Bezug auf das Erscheinungsbild von Beamt*innen als „Kopftuchverbot über die Hintertür“ bezeichnet. Und darüber haben sie einen Fachtext geschrieben. Davor war nämlich – und nicht lang davor – das Thema „Kopftuchverbot am Arbeitsplatz“. Das ist aber nicht durchgekommen, weil es verfassungswidrig ist.


Wegen freier Religionsausübung?

(...)


11.06.2021

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