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Christina - Familienbildung Tempelhof-Schöneberg

Wie würdest du einem Kind erklären was du machst?

Ich organisiere, dass Menschen sich kennenlernen, unterhalten und zusammen lernen und Spaß haben können. Da gibt es eine ganze Menge rundherum zu tun. Man muss die Menschen erst mal darauf aufmerksam machen, das machen wir im Internet oder mit Zetteln die aushängen. Dann können sie zu uns kommen, von ganz klein bis zu den alten Leuten und dann gibt es verschiedene Sachen, die man bei uns machen kann.


Das klang am Anfang etwas wie eine Partnerbörse. Kannst du das etwas näher beschreiben?

Eine „Partnerbörse“ in Anführungsstrichen haben wir auch, aber das meiste, was wir machen, sind Gruppen. Also, dass sich mehrere Leute kennenlernen; nicht nur zwei, sondern dass beispielsweise acht oder zehn Leute zusammenkommen. Manchmal sind es Eltern mit kleinen Kindern, manchmal sind es Kinder, die zusammen Musik machen oder malen und manchmal sind es ältere Leute, die machen bei uns eher Sport. Und wir haben seit zwei Jahren auch Smartphone Kurse für ältere Leute, damit sie lernen, wie sie mit den Kindern und Enkelkindern in Kontakt bleiben.


Warum empfindest du es als notwendig Widerstand zu leisten?

Ich habe viel über das Wort Widerstand nachgedacht und mich gefragt „bin ich überhaupt im Widerstand? Ich mach ja Sachen, die es schon gibt, und das gabs auch schon bevor ich angefangen habe.“ Aber mir war am Anfang auf alle Fälle sehr wichtig, dass es Schutzräume für Frauen gab. Das war zu einer Zeit, wo die zweite Frauenbewegung noch ziemlich stark war und gedacht wurde, Frauen brauchen untereinander Räume, wo sie sich austauschen können. Und das war schon so ein Stück Widerstand, auch wenn sich das vielleicht inzwischen nicht mehr so stark anhört. Diese Schutzräume fand ich wichtig. Und es war auch schön, dass diese Frauen dann in Frauengruppen mit ihren Babys waren, denn dann konnten sie auch ungehemmt über Geburtserlebnisse sprechen.

Das ist jetzt manchmal immer noch so, dass zu unseren Babygruppen fast nur die Mütter kommen. Ab und zu ist auch mal ein Papa dabei. Aber jetzt wird es ja auch mehr, dass Papas Elternzeit nehmen, wenn die Babys noch ganz klein sind. Das ändert sich gerade so ein bisschen.

Aber diese Schutzräume für Frauen fand ich wichtig. Unter sich zu sein und ohne dass frau in Konkurrenz agiert gegenüber Männern oder was auch immer es für Beeinflussungen es sonst sind, wenn man in einer gemischten Gruppe ist. Da ist frau irgendwie anders, als wenn Frauen unter sich sind. Das ist auch eine schöne Atmosphäre. Das habe ich auch im Studium so kennengelernt, da hatten wir zum Beispiel Frauenpartys, das war auf jeden Fall ein Erlebnis.


Wie bist du dazu gekommen/ Was hat dich motiviert, aktiv zu werden?

Ich bin schon seit 28 Jahren Sozialpädagogin und Diakonin und habe den Beruf ergriffen, weil ich nicht wusste, was ich machen soll. Dann bietet es sich meistens an, was mit Menschen zu machen. Ich wollte erst Lehrerin werden, aber das war irgendwie nichts. Jedenfalls bin ich eine Zeit lang als junge Frau orientierungslos gewesen und habe dann in [christlichen] Gemeinden für mich und mein Leben halt gefunden. Dann habe ich die Diakonen Ausbildung angefangen, weil ich dachte, da ist das auch so. Da habe ich irgendwie wieder angefangen, mehr nachzudenken und habe ein bisschen infrage gestellt, was in diesen Kreisen, in denen ich mich aufgehalten habe, alles abgelaufen ist und habe auch versucht, die Bibel noch mal anders zu sehen. Ich habe mich für feministische Theologie interessiert und darüber bin ich auch dazu gekommen, dass ich gern mit Frauen arbeiten möchte. Sozialpädagogik ist ja so ein großes Feld, da kann man so viel machen. Dann dachte ich, was mit Frauen wäre schön und dann habe ich erst mal festgestellt, dass an Frauen immer Kinder hängen. Das war eine Erkenntnis. Ich habe mich dann auf eine Stelle beworben, die hieß „Treffpunkt für Frauen“. Da gab es dann Eltern – Kind – Gruppen oder Mutter – Kind – Gruppen waren es damals noch, alles noch vor dem Gendern.


Wo siehst du denn Grenzen beziehungsweise Chancen?

Die Grenzen liegen darin, dass sich die Geschlechtergrenzen immer mehr auflösen, dass es Menschen gibt, die sich ganz verschieden identifizieren und dass es diese starke Trennung so nicht mehr gibt und das ist auch ok, dass es das nicht mehr gibt. Ich glaube trotzdem, dass wir immer noch Schutzräume bieten, aber vielleicht anders als vorher. Also nicht so klar am biologischen Geschlecht orientiert, sondern einfach, dass wir gucken, dass alle die zu uns kommen, sich gut aufgehoben und respektiert fühlen. Egal wie sie sich sexuell orientieren oder wie sie sich identifizieren oder auch welche Herkunft. Alle sollen sich bei uns auch sicher fühlen, dafür arbeiten wir auch.


Meinst du damit, dass es mehr verschiedene Schutzräume bräuchte?

Nein. Ich meine nicht, dass man verschiedene Schutzräume für verschiedene Gruppen braucht. Oder vielleicht braucht man die auch, aber das wäre dann nicht so unser Part. Wir gucken schon, dass wir verschiedene Menschen zusammenbringen, aber dass trotzdem die Atmosphäre so ist, dass ein respektvoller Umgang geübt wird. Und auch, dass zum Beispiel unsere Kursleiter*innen damit umgehen können, wenn sich beispielsweise jemand rassistisch äußert, oder wenn jemand eine abwertende Bemerkung macht, weil jemand vielleicht Trans* ist; dass dann eingeschritten wird, darüber gesprochen wird und dass versucht wird, dass sich auch alle Personen wohlfühlen. Es sind eben nicht diese „äußeren Grenzen“, sondern eher, dass es Gesprächs- und Verhaltensregeln gibt.


Müssen die Berater*innen dann anders trainiert sein als noch vor ein paar Jahren?

Ja, ich glaube schon. Ich denke, dass wir alle auf einem guten Weg sind und ich will auch nicht sagen, dass wir das alle schon sehr gut können, aber wir sind dabei, uns weiterzubilden und auch mit allen im Gespräch zu sein, die bei uns was anbieten, dass sie sich mit uns auf diesen Weg machen. Wir möchten gucken, dass wir zumindest auch alle auf derselben Linie fahren.


Und wie ist es mit den Chancen?

Chancen des Widerstands? – Widerstand hat ja auch was mit Resilienz zu tun. Resilienz ist auch so ein sozialpädagogisches Schlagwort.

Wenn man sich vorstellt, man würde aufwachsen ohne jedes Problem und dann kommt aber irgendwann so ein dickes Problem, dann fällt man vielleicht gleich vor Schreck um. Aber wenn man gelernt hat, mit unterschiedlichen Herausforderungen umzugehen, dann wird man stärker. Wenn man es schafft, die kleinen Herausforderungen zu meistern, dann ist man irgendwann auch stärker für eine große Herausforderung. Und das versuchen wir auch in unsere Arbeit mit einzubringen. So versuchen wir den Eltern auch mitzugeben – ihr müsst eure Kinder nicht davor bewahren, dass sie hinfallen. Aber wenn sie hingefallen sind, dann helft ihnen das gut zu verarbeiten und tröstet sie. Manche sind sehr vorsichtig oder sehr darauf bedacht, jede Stolperfalle aus dem Weg zu räumen, aber darum geht es eigentlich im Leben nicht. Es gibt immer irgendwas, worüber man stolpern kann, immer irgendwas, was dir passieren kann. Lieber lernen wir das früh an kleinen Dingen und werden daran stärker, das erhöht die innere Widerstandskraft. Wenn wir über Resilienz sprechen, kann man auch immer an Bäume denken. Wenn du da hinten guckst, die Bäume sind im Wind und sie sind widerstandsfähig und wenn Sturm kommt, bewegen sie sich ein bisschen mehr aber brechen nicht sofort um. Und das finde ich ist auch Widerstand. Für sich selber widerstandsfähig zu werden, für sich selber stark zu sein. Aber nicht stark im Sinne von steif, sondern beweglich.


Wie kann man sich denn am besten einbringen?

Es gibt bei uns immer die Möglichkeit, sich in verschiedener Hinsicht ehrenamtlich zu betätigen. Normalerweise (mit Corona geht es gerade nicht) haben wir ein Eltern – Kind Café und da brauchen wir immer Leute, die das Café öffnen und ein bisschen gucken, dass der Rahmen eingehalten wird.

Bei der Kinderbetreuung haben wir auch auf Ehrenamts Basis immer jemanden gehabt, der/die nach den Kindern guckt, damit die Eltern Zeit haben, sich auszutauschen. Durch diesen Austauschen werden die Eltern nämlich noch einmal im Alltag gestärkt. Viele wollen ja auch heute das anders machen, als was sie bei ihren Eltern erlebt haben und da muss man erst mal bei sich herausfinden, was wichtig ist. Es gibt ja 1000 Bücher und eine Million Eltern – Blogger*innen, die alle schreiben, wie was richtig ist, aber manches widerspricht sich. Wie findet man dann raus, was das richtig ist? Ich glaube, dafür brauchen Menschen die Begegnung und Gespräche. Deswegen gibt es zu Beispiel solche Café – Räume, wo sie sich einfach treffen können und Unterstützung bekommen.

Ich glaube, dass wir auch dahingehend ein Widerstand sind, dass alles immer funktionieren muss. Wir leben ja in einer Gesellschaft, in der immer alles so stark getaktet ist und zu uns kommen die Leute, wenn sie Zeit haben. Ich glaube, das ist etwas Besonderes. In Elternzeit arbeitet man ja nicht, bekommt vielleicht ein bisschen Geld vom Staat dazu und kann sich dann um sein Kind kümmern. Oder wenn man schon in Rente ist, dann kommen auch mehr Leute, die Zeit haben. Um dann die Zeit irgendwie sinnvoll zu verbringen und in einem anderen Rhythmus zu sein, als dieses ganz stark getaktete während der Berufstätigkeit. Ich denke, das braucht eine Gesellschaft auch um menschlich zu bleiben und nicht in so einem zack – zack Ding zu verfallen, was glaube ich dazu verführt, schlechte Entscheidungen zu treffen und auch manchmal unbarmherzig zu sein gegenüber Menschen, die da vielleicht gar nicht mithalten können.


Würdest du sagen, dass mehr Menschen zu euch kommen sollten, auch wenn sie diese Zeit eigentlich nicht haben?

Das wäre natürlich schön, aber wie schafft man das? Es ist ja eine Entscheidung, die jede*r selbst treffen muss. Bei uns gibt es zum Beispiel eine Heilpraktikerin, die zwei Abende dazu macht, wie man besser einschlafen kann und es gibt ja viele Menschen mit Schlafstörungen, aber nicht so viele finden dann den Weg zu uns. Gut, da gibt es im Internet auch viele Informationen und vielleicht braucht es an diesem Punkt den direkten Austausch auch nicht mehr so stark, da könnte man sich drüber streiten. Ich finde ja immer, dass es etwas anderes ist, wenn man miteinander spricht und eben auch eine kleine Gruppe hat, wo man sagt „mir hat schon mal das geholfen“ „und mir hat schon mal jenes geholfen“.

Aber du hast ja eigentlich gefragt, wie man sich bei uns engagieren kann Wenn man älter ist, kann man sich bei Nanni engagieren. Das ist ein Großeltern – Patenschaftsprojekt und wir suchen immer ältere Menschen, die Lust haben, sich mit kleineren Kindern im Kita Alter zu beschäftigen. Da ist es natürlich gut, dass wir hier mit der Kirche ganz viele Senioren in den Gemeinden haben und dass wir darüber auch immer wieder neue kennenlernen, die auch Lust haben, das zu machen. Ansonsten ist es in Berlin sehr schwierig, für diesen Bereich Ehrenamtliche zu finden.


Es ist sicher auch schwierig diese Menschen zu erreichen, da ist es ja nicht mit einem Insta-Post getan.

Das stimmt. Dafür gibt es Zeitschriften in den Gemeinden und manche können ja auch mit dem Smartphone umgehen. Oder wir erreichen deren Kinder oder Enkel und die sagen das dann weiter. Das ist auch ein wirklich schönes Projekt. Bis jetzt sind schon 26 Paare zusammengekommen und die Familien freuen sich immer sehr. Wir haben immer mehr Familien, die nachfragen, ob sie eine Oma oder einen Opa ‚bekommen‘ können, als wir Omas und Opas da haben.

Es gibt auch andere Sachen, die direkt nach der Geburt helfen. Da kommt jemand zwei Mal die Woche für zwei bis drei Monate vorbei und nimmt das Baby ab, damit die Mutti mal alleine duschen gehen kann, sich ausruhen oder auch mal was Schönes für sich machen kann. Das ist aber zeitlich begrenzt und wir versuchen wirklich Leute zusammenzubringen, sodass sie faktisch wie eine Familie werden und dann auch zusammenbleiben. Und hoffentlich auch zusammenbleiben, wenn die Älteren dann älter werden. Das ist ja auch ein Problem, wenn du in so einer großen Stadt wohnst und du keine Familie hast oder sie ganz weit weg wohnt. Da ist es ja einfach schön, wenn ein paar Jüngere da sind, die du kennst und die vielleicht mal einkaufen gehen können, wenn es dir nicht gut geht. So lange läuft das Projekt aber noch nicht, dass wir wissen, dass das auch funktioniert. Aber dass zwei, drei Mal die Woche die Kinder von der Kita oder Schule abgeholt werden und miteinander gespielt wird – das funktioniert sehr gut und entlastet auch die Eltern. Dann können die sich wieder frischer mit den Kindern beschäftigen und sind dann auch hoffentlich besser gelaunt. So hoffen wir, dass das alles ein bisschen zusammenspielt.

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